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Eine runde Sache
Ein Besuch bei Michael Haupt, Leiter strategische
Reifenentwicklung von Porsche.
Reifen sind eine oftmals unterschätzte Komponente im
Fahrzeugbau: Sie stellen den einzigen Kontakt zur Stra-
ße dar, haben erheblichen Einfluss auf die Sicherheit
und Stabilität des Fahrzeugs und bestimmen in großem
Maße das Fahrerlebnis mit. Dementsprechend komplex
sind die Anforderungen an die Reifenentwicklung – ganz
besonders im Segment Sportwagen. Die Redaktion von
HF MIXING TOGETHER wollte es genau wissen und
machte sich auf den Weg zu dem Sportwagenhersteller
schlechthin.
Wir sind verabredet mit Michael Haupt, dem Leiter der
strategischen Reifenentwicklung bei Porsche. Wenn von
Porsche die Rede ist, denkt man meist an Zuffenhausen.
Haupt und sein Team aber sitzen im Entwicklungszen-
trum in Weissach, dessen Größe uns schon bei der An-
fahrt beeindruckt: Viele mehrstöckige Gebäude, eine
hauseigene Teststrecke und mehrere große Parkplätze
stehen hier auf der grünen Wiese.
Michael Haupt ist seit 17 Jahren bei Porsche tätig und
heute verantwortlich für die strategische Reifenent-
wicklung. Zu Beginn seiner Tätigkeit war Porsche noch
ein völlig anderes Unternehmen: „Es gab damals mit
dem 911 nur ein Modell, der Boxster steckte gerade in
der Entwicklung.“ Dementsprechend weniger komplex
war auch die Reifenentwicklung. „Heute entwickeln wir
Reifen für alle Baureihen: für den 911, Boxster, Cayenne,
Panamera und den Macan, der gerade der Öffentlichkeit
vorgestellt wurde, vereinzelt auch für die GT-Fahrzeuge
911 GT3 und 911 GT2 sowie für den Plug-in-Hybrid-
Hochleistungssportwagen 918 Spyder. Für Letzteren
geschieht dies in Zusammenarbeit mit der Motorsportab-
teilung. Nur die reinen Slickreifen der Rennsportfahrzeuge
werden von der Motorsportabteilung entwickelt.“
48 bis 60 Monate Entwicklungszeit
für einen Reifen
Und wie sieht die Reifenentwicklung bei Porsche kon-
kret aus? „Bei neuen Modellen entwickeln wir die Rei-
fen von der Konzeptphase eines Fahrzeugs bis hin zur
Serienreife. Da die Räder und Reifen wesentlich den
Look und das Design eines Autos bestimmen, stehen
sie immer am Anfang der Fahrzeugentwicklung. Weil
wir selbst keine Reifen bauen oder im Detail konstruie-
ren, geben wir den Reifenherstellern vor, wie der Reifen
abgestimmt werden soll, damit er für die Fahrzeuge
maßgeschneidert ist. Dazu setzen wir uns in einer sehr
frühen Phase mit allen großen Reifenherstellern zusam-
men und tauschen die Grunddaten aus. Es gibt dann
bereits die sogenannten Package-Modelle im CAD, die
zeigen, wie das Fahrzeug aussehen soll. Wir kennen
die Gewichte, die Höchstgeschwindigkeit und die
Achsdaten – alles wichtige Parameter, um eine Reifen-
auslegung durchzuführen und eine Luftdruckbestim-
mung vorzusehen. Der Reifen wird also zunächst
virtuell, ohne dass irgendein Test stattfindet, bewertet.
Wenn das Package verabschiedet ist, wird das Design
des Fahrzeugs im Ganzen fixiert. Dann schreiben wir
die Lastenhefte mit allen Kriterien. Das beinhaltet z. B.
einen reduzierten Rollwiderstand und die Verkürzung
der Rundenzeit.“ Die Entwicklungszeit für einen Reifen
beträgt zwischen 48 und 60 Monate – je nachdem, ob
es sich nur um das Facelifting eines Modells oder um
eine komplette Neuentwicklung handelt. Die Kern­
entwicklung, also das Testen am Fahrzeug, dauert zwei
Jahre.
MIXING
TOGETHER
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Michael Haupt, Leiter der strategischen Reifenentwicklung bei Porsche.
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