Umparken im Kopf bei Michelin | HF Mixing Group
>
>

Umparken im Kopf bei Michelin

Der zweitgrößte Reifenhersteller der Welt initiiert eine Kulturrevolution, von der auch die HF Mixing Group profitiert. Ein Besuch in Clermont-Ferrand.

Ein Unternehmen wie Michelin muss man nicht groß vorstellen. Seit mehr als einem Jahrhundert begleiten die Produkte des französischen Konzerns das Leben der westlichen – und zunehmend auch das der restlichen – Welt: Michelin-Karten, -Stadtpläne, -Reiseführer und -Routenplaner haben Generationen von Reisenden geleitet. Der Guide Michelin gilt als das Maß der Dinge für Köche, Hoteliers und Gourmets. Das Michelin-Männchen ist jedem bekannt; im Jahr 2000 wurde es sogar zum besten Marken­zeichen aller Zeiten gekürt.

Und natürlich ist da das Kerngeschäft, die Reifenherstellung. Mit 69 Produktionsstandorten in 18 sowie Verkaufsniederlassungen in mehr als 170 Ländern, 180 Millionen produzierten Reifen jährlich und einem Umsatz von 19,2 Mrd. Euro (2014) ist Michelin der zweitgrößte Reifenhersteller der Welt, knapp hinter dem japanischen Konkurrenten Bridgestone. Den Grundstein für den Erfolg legte Firmengründer Edouard Michelin im Jahr 1891 mit der Erfindung des demontierbaren Luftreifens, dem Vorgängers aller heutigen Reifen. Innovativ ist das Unternehmen bis heute geblieben. Viele technologische Durchbrüche der Branche stammen aus dem Hause Michelin: das demontierbare Stahlrad (1913), der erste Niederdruckreifen für Pkw (1923), der Reifen mit einvulkanisiertem Schlauch (1930), das Zickzack-Profil (1930), der erste Stahlgürtelreifen mit Stahldrähten zur Verstärkung des Pneus (1938), der erste Reifen mit Radialkarkasse (1946), das Modell TRX, das erstmals Reifen und Felge vereinte (1975), oder der rollwiderstandsarme „grüne“ Reifen (1992), um nur einen kleinen Einblick in die Innova­tionsfreudigkeit des Unternehmens zu bieten.

Neben seiner intensiven Forschung und Entwicklung ist Michelin für seine starke Technik bekannt. Was diese angeht, ließ sich der Konzern bisher ungerne etwas aus der Hand nehmen: Eine Heerschar hauseigener Ingenieure entwickelte und baute den Großteil der benötigten Maschinen und Anlagen selbst. Das, was man nicht inhouse entwickelte, wurde gegenüber den Zulieferern bis ins letzte Detail spezifiziert. Auch die bis ins Jahr 1907 zurückreichende Geschäftsbeziehung zwischen Michelin und der HF Mixing Group war von dieser Kultur geprägt.

Kehrtwende im Einkauf

Doch das ändert sich nun. Denn im Hause Michelin vollzieht sich eine kleine Kulturrevolution: Steigende Rohstoffkosten und Energiepreise sowie deutlich mehr Personal als der Wettbewerb hatten die Umsatzrendite zuletzt immer mehr geschmälert. Eine zu Hilfe geholte Unternehmensberatung nahm – neben dem Bereich Engineering – vor allem den industriellen Einkauf unter die Lupe und machte mehrere Vorschläge zu dessen Optimierung. So empfahlen die Berater dem Management, Technologien von außen mehr Vertrauen ent­gegen­zu­bringen und eine Vielzahl der hauseigenen Maschinenentwicklungen und -produktionen durch Käufe zu ersetzen. Dabei sollten vermehrt auch schlüsselfertige Produkte der Hersteller in Betracht gezogen werden. Die Berater regten zudem an, der Michelin-Einkauf solle sein Spezifikationsniveau überprüfen, welches manchmal unnötig hoch sei.

Erstaunlich schnell setzte der Einkauf bei Michelin die Forderungen um – zumindest in der Zusammenarbeit mit der HF MIXING GROUP: Im Februar 2014 erhielt HF den Auftrag, zwei komplette Mischerlinien für das neue TIGAR-Reifenwerk im serbischen Pirot zu liefern – schlüsselfertig und inklusive aller erforderlichen Dienstleistungen wie Bauaufsicht, Terminierung, Koordination der Gewerke vor Ort etc. Die einzige Vorgabe, die Michelin HF ins Pflichtenheft schrieb, war die Anzahl an Reifen je Reifentyp. Daraufhin validierte HF in ausführlichen Versuchsreihen die entsprechenden Mischzeiten für jeden Reifentyp im hauseigenen Technikum. Anschließend erfolgte die Konzeptauslegung für den gesamten TIGAR-Mischsaal.

Bei HF war man für das Millionen-Euro-Projekt gewappnet, hatte man doch gerade die Entwicklung vom reinen Maschinenbauer zum Systemlieferanten erfolgreich vollzogen. Ein gutes Jahr nach Auftragseingang wurde geliefert, Ende 2015 war die Installation abgeschlossen. Die Abnahme erfolgte Anfang 2016.

Maurice Biegale, HF-Vertriebsingenieur für Michelin, nahm dies zum Anlass, sich am Stammsitz des Unternehmens in Clermont-Ferrand mit den Verantwortlichen zu treffen und eine kleine Bilanz des TIGAR-Projektes wie auch der neuen Form der Zusammenarbeit zu ziehen. Dass gleich fünf Michelin-Manager bereit waren, dies mit ihm gemeinsam zu tun, zeigt, wie wichtig die Zulieferer für Michelin sind.

„Das TIGAR-Projekt war für uns Neuland. Es war der erste komplette Mischsaal, den wir in unserer Unternehmensgeschichte gekauft haben“,

sagt Stéphane E., im Bereich Konzernentwicklung für externe Lösungen zuständig.

„Bisher entwickelten wir solche Linien immer selbst und kauften die einzelnen Komponenten – wie beispielsweise die Mischer-Bodies von HF – von unseren Lieferanten zu. In ein solches Projekt waren Teams aus mehreren Bereichen bei uns involviert, vom Engineering über den Einkauf bis hin zur Automation und Maintenance.“

„Die Vorteile des neuen Vorgehens liegen auf der Hand: Die Verantwortung ist klar zugeteilt, für uns fällt die Ansprache und Koordination mehrerer Zulieferer weg und wir schonen interne Ressourcen“,

erklärt sein Kollege Olivier D., Category Manager Einkauf.

„Die HF MIXING GROUP war uns bisher als Lieferant hochwertiger Technik bekannt. Jetzt haben Sie mit dem Projekt Ihre Fähigkeit bewiesen, auch schlüsselfertige Lösungen zu liefern und große Projekte zu managen. Unsere diesbezüglichen Erfahrungen mit Ihnen ermutigen uns, mehr schlüsselfertige Lösungen zu kaufen. Aber der Erfolg eines solchen Projektes hängt nicht nur vom Lieferanten ab, sondern auch von der Art der Mischung. Deshalb haben wir uns zunächst auf das Tier-3-Segment konzentriert.“

„Die Premiummischungen sind anspruchsvoller“,

pflichtet Stéphane E. bei.

„Zwar wollen wir jetzt häufiger auf schlüsselfertige Lösungen setzen, doch für die Produktion von Ultra-High-­Performance-Reifen müssen wir meist viele Modifizierungen vornehmen, ­so dass schlüsselfertig hier nicht sinnvoll ist.“

Pierre F. aus dem Engineering Department sieht dennoch auch im Bereich der Premiummarke Möglichkeiten, die Prozesse zu verbessern:

„Wir müssen in Zukunft enger mit den Zulieferern zusammenarbeiten. Wo die OEM-Standard-Ausrüstung genügt, gibt es für uns keinen Grund, Engineering-Ressourcen zu verschwenden. Hier müssen wir die richtige Balance zwischen der Eigenproduktion und OEM-Lösungen finden. Ich denke, es gibt auch einige Chancen, gemeinsam Lösungen zu erarbeiten – bessere und profitablere Lösungen als die, die auf dem Markt verfügbar sind.“

„Natürlich müssen sich schlüsselfertige Lösungen auch rechnen“,

gibt Olivier D. zu bedenken.

„Auf globaler Ebene gesehen, wäre es beispielsweise unwirtschaftlich, eine Mischerlinie für Indonesien mit deutschen Arbeitskräften für Installation und Inbetriebnahme zu kaufen.“

Aber auch diese Situation könnte sich bald ändern, hält Maurice Biegale entgegen:

„Wir bei HF verfügen bereits über ein sehr gutes weltweites Service-Netzwerk. Mit dem Projekt ‚Service 2020‘ werden wir dieses in den nächsten Jahren noch deutlich ausbauen, so dass wir dann auch solche Projekte für unsere Kunden wirtschaftlich gestalten können.“

Clement M., der bei Michelin für Methoden und Prozesse zuständig ist, erklärt:

„Neben schlüsselfertigen Lösungen gibt es für uns viele Quellen für Mehrwert. Zum Beispiel gute Lösungen für Brownfield-Projekte, also für bereits existierende Werke, deren Prozesse neuen Produkten angepasst werden müssen. Die Produktzyklen werden immer kürzer, Anforderungen und Spezifikationen ändern sich immer schneller. Hier ­müssen wir jedes Mal entscheiden, ob wir eine Lösung vom Markt kaufen oder selbst entwickeln.“

„Was das angeht, lassen sich sicher auch Ansätze für eine Zusammenarbeit finden. Schließlich wissen wir jetzt, was die HF Mixing Group kann“,

sagt Olivier D.

„Vor dem TIGAR-Projekt war uns HF eigentlich eher als Lieferant guter ­Maschinentechnik bekannt. Nun wissen wir, dass Sie auch Lösungen entwickeln können.“

Maurice Biegale und seine Kollegen bei HF würden sich über eine Vertiefung der Zusammenarbeit freuen: „Wir setzen auf viele weitere gemeinsame und erfolgreiche Jahre partnerschaftlicher Zusammenarbeit mit Michelin.“ Und noch etwas freut sie: Dass die rasche Umsetzung der neuen Gesamtstrategie von Michelin sich offensichtlich bereits sehr positiv auf den Unternehmenserfolg ausgewirkt hat: Die Ergebnisse für das erste Halbjahr 2015 zeigten eine 13,3-prozentige Steigerung des Konzernergebnisses gegenüber dem ersten Halbjahr des Vorjahres!

MIXING Know-how