Verkehrte Welt. Als Ende September der Abgasskandal durch die medialen Weiten rauschte, hätte Apple Inc. die deutschen Premium-Automobilhersteller theoretisch einfach aufkaufen können. Volkswagen, BMW und Daimler in der Hand der wertvollsten Marke der Welt? Ein Szenario, das längst keine Utopie mehr ist. Vorstellen können sich das bislang nur die wenigsten Experten. Fest steht aber: Der Wind des digitalen Wandels fegt durch die ehemals feste Bastion der Automobilhersteller. Ein Blick auf das Zahlenwerk verdeutlicht das Kräfteverhältnis: Apple, Hersteller von Computern, Smartphones und Unterhaltungselektronik sowie diverser Softwareprodukte und -anwendungen, wurde im Herbst 2015 auf einen Börsenwert von 582 Milliarden Euro taxiert. Eigenen Angaben zufolge verfügte das Unternehmen seinerzeit über Bargeldreserven in Höhe von knapp 180 Milliarden Euro. Zum gleichen Zeitpunkt war Volkswagen nicht mehr ganz 58 Milliarden Euro an der Börse wert. BMW und Daimler – nach dem derzeitigen Kenntnisstand nicht vom Abgasstrudel betroffen – notierten bei 48 Milliarden Euro (BMW) und 71 Milliarden Euro (Daimler). Unglaublich, aber wahr: Die für die Übernahme der deutschen Industrieperlen erforderlichen 177 Milliarden Euro hätte Apple bar bezahlen können.
So weit die Theorie. In der Praxis sieht die Sache freilich anders aus. Das VW-Gesetz sowie die Anteile der Familien Porsche und Piëch schützen den Wolfsburger Konzern. BMW befindet sich in der Obhut der Familien Quandt und Klatten, während die Aktien von Daimler breit gestreut sind. Größere Anteile halten nur das Emirat Kuwait und die Unternehmensgruppe Renault/Nissan. Gefahr droht deswegen von ganz anderer Seite, denn: Der mögliche Einstieg des amerikanischen Giganten in das Geschäft mit der Mobilität ist trotzdem real. Vor dem Hintergrund alternativer Antriebskonzepte und der steigenden Bedeutung von Internet und Unterhaltungselektronik in Fahrzeugen sowie digitaler Wertschöpfungsketten käme das Apple-Engagement durchaus einem folgerichtigen Schritt gleich.
„Automobiler Fortschritt wird heute vor allem durch moderne Software bestimmt“
, hat Sebastian Thrun, ehemaliger Professor für künstliche Intelligenz an der Stanford University (USA) und Vizepräsident von Google, dem Manager Magazin schon im Jahr 2014 verraten. Offiziell ist der Einstieg in das Business mit der Mobilität dennoch nicht: In guter Firmentradition gibt es keine offiziellen Stellungnahmen von Apple hinsichtlich eines geplanten Einstiegs in das Geschäft mit Autos. Gerüchte über ein „iCar“ gibt es trotzdem zuhauf – ergänzt von einer Reihe vielsagender Indizien. Demnach bauen die Kalifornier ihre Entwicklungsabteilung seit geraumer Zeit massiv aus. Laut Wall Street Journal entstehen Apples automobile Pläne in der Geheimabteilung „Project Titan“ mit derzeit 600 Mitarbeitern. Eine personelle Aufstockung auf bis zu 1.800 Mitarbeiter sei geplant. Prognostizierter Produktionsbeginn sei das Jahr 2020. Langfristig sei es Ziel, so die Gerüchte, ein selbstfahrendes Auto zu entwickeln. Ein Apple iCar würde demnach zunächst einmal herkömmlich bewegt.