Naturfasern für den Leichtbau in der Automobilindustrie | HF Mixing Group
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Naturfasern für den Leichtbau in der Automobilindustrie

Die HF MIXING GROUP forscht gemeinsam mit ExxonMobil Chemical Europe und Ford an geeigneten Mischungen.

Der Einsatz von nachwachsenden Rohstoffen als Verstärkungsfasern hat in den letzten Jahren auch in der Automobilindustrie immer mehr an Bedeutung gewonnen. In modernen Autos stecken mittlerweile im Durchschnitt fünf bis sieben Kilogramm Naturfaserwerkstoffe. In deutschen Oberklassewagen werden circa 90 Prozent und in Mittelklassewagen etwa 60 Prozent der Innenverkleidung aus naturfaserverstärkten Kunststoffen (NFK) hergestellt: Türinnenverkleidung, Kofferraumauskleidung, Reserveradmulde und -abdeckung, Säulenverkleidung, Armaturenbrett, Dachhimmel, Lüftungsgitter, Hutablage, Handschuhfach, Sitzschale und -lehne. Doch auch im Außenbereich finden NFK vermehrt Verwendung. So wird beispielsweise der Unterboden der Mercedes A- und B-Klasse serienmäßig im Fließpressverfahren mit Abakafasern verstärkt hergestellt. Neben Form- und Fließpressbauteilen bieten aber vor allem im Spritzgussverfahren hergestellte Komponenten aus NFK noch einiges an Potenzial, das es auszuschöpfen gilt.

Bei Ford forscht man seit Bestehen der Firma vor über hundert Jahren daran, wie man Naturrohstoffe in den Autobau integrieren kann. Schon heute bestehen mehr als 300 Bauteile in Ford-Fahrzeugen aus natürlichen Werkstoffen – u. a. im Fiesta, Focus und im Mondeo. Verbaut werden die natürlichen Werkstoffe überwiegend dort, wo man sie nicht sieht: in Instrumententafeln, Türverkleidungen oder den Stoßfängersystemen. „Wir arbeiten intensiv an der Entwicklung biobasierter Werkstoffe. Fasercompounds sind Teil dieser Nachhaltigkeits­strategie“, erklärt Maira Magnani, Forschungsingenieurin Advanced Materials & Processes bei Ford Research & Advanced Engineering Europe. „Untersucht werden Anwendungen in allen Bereichen – inklusive Motorraum, Fahrzeug­innenraum und Außenteile. Das Hauptkriterium bei der Evaluierung, wo und wann eine Substitution herkömmlicher Materialien Sinn macht, ist eine positive Ökobilanz. Beispielsweise darf durch die Substitution nicht das Gewicht erhöht werden.“

Die Vorteile der NFK liegen auf der Hand: Im Gegensatz zu den für Kunststoffe traditionell eingesetzten Verstärkungsfasern, beispielsweise Glasfasern, weisen Natur­faser­materialien eine um bis zu 50 Prozent niedrigere Dichte auf, verbessern gleichzeitig den „CO2-Footprint“ und erlauben neben stofflichem Recycling auch eine hundertprozentige thermische Endverwertung des verstärkten Kunststoffes. Damit bieten sich insbesondere auch im Bereich der Elektromobilität völlig neue Chancen für diese Art von Leichtbauwerkstoffen.

Die Zielvorgaben aus den Forschungs- und Entwicklungsabteilungen verschiedener Automobilhersteller sind eindeutig. Naturfaserverstärkte Werkstoffe sind eine hochinteressante Alternative für Spritzgussanwendungen, wenn Materialkennwerte im Bereich von PPGF20 erreichbar sind, insbesondere für Innenraumanwendungen unangenehme Ausgasungen verhindert werden können, Gewicht und Herstellungskosten niedriger sind als die des zu substituierenden Bauteils und darüber hinaus der gesamte Herstellungsprozess im industriellen Maßstab zuverlässig reproduzierbar ist.

Aus diesen Zielvorgaben der Automobilindustrie ergeben sich vielfältige Herausforderungen für die Auswahl geeigneter Verstärkungsfasern und Matrixwerkstoffe sowie für die Entwicklung entsprechender Rezepturen. Ein Problem: Naturfasern sind klimatisch bedingten Qualitätsschwankungen unterworfen, welche die Einhal­tung enger Toleranzen hinsichtlich Qualität und Eigenschaftsprofil ­erschweren. Darüber hinaus sind die erreichbaren Schlagzähigkeiten üblicherweise relativ niedrig. Vor allem der Naturfaseraufbereitungsprozess hat einen entscheidenden Einfluss auf die Materialeigenschaften des naturfaserverstärkten Thermoplasten und damit auch auf die späteren Produkteigenschaften des Bauteils.

Herausforderungen bei der Naturfaserverarbeitung

Die industrielle Verarbeitung von Naturfasern stellt aber auch die Verfahrens- und Anlagentechnik vor neue Herausforderungen. Die üblicherweise aus der Kunststoffverarbeitung bekannten Standardprozesse arbeiten kontinuierlich und verlangen daher nach kontinuierlich dosierbaren Rohstoffen. Naturfasern sind aber aufgrund ihrer niedrigen Dichte und ihrer Oberflächenstruktur üblicherweise kaum mit gravimetrischen Systemen dosierbar. Auch Maira Magnani von Ford betont: „Langfristig haben naturfaserverstärkte Kunststoffe und Biomaterialien das Potenzial, an Bedeutung für den Einsatz in der Fahrzeugherstellung zuzunehmen. Dies hängt jedoch stark von der Weiterentwicklung bei den Verfahrenstechniken für die Großserienanwendung ab.“

Um die Problematik zu lösen, wurde in den vergangenen Jahren viel Forschungsaufwand in entsprechende Vorbehandlungsschritte investiert. Bekannte Verfahren sind vor allem das Kurzschneiden, Mahlen oder Pelletieren von Fasern zur Erhöhung von Schüttdichte und Rieselfähigkeit. Technisch und wirtschaftlich gesehen, ist das jedoch kontraproduktiv, da damit nicht nur Verarbeitungsaufwand und Herstellungskosten des Compounds steigen, sondern insbesondere beim Kurzschneiden und Mahlen der Naturfasern deren Verstärkungspotenzial stark reduziert wird. Weitere Herausforderungen bei der Aufbereitung von Naturfasern sind deren Temperatur­sensitivität und ihr hoher Feuchtigkeitsgehalt. „Eine große Herausforderung bei Fasercompounds besteht darin, die Naturfasern für die weitere Verarbeitung aufzubereiten und genau zu dosieren“, bestätigt Magnani.

Innenmischertechnologie flexibilisiert die Prozessführung

Diese Herausforderungen rufen nach einer neuartigen Compoundiertechnologie für die wirtschaftliche Herstellung dieser Art von Leichtbauwerkstoffen im industriellen Maßstab. Die auf der Innenmischertechnologie basierenden Mischsaalsysteme erfüllen dieses Anforderungsprofil vollständig, da insbesondere keine Vorbehandlungsschritte notwendig sind. Die Zugabeform von Materialien in den Innenmischer ist nahezu beliebig.

Der Innenmischer wird über eine vorgeschaltete Verwiege- und Dosiereinrichtung mit den zu verarbeitenden Rohstoffen versorgt und entleert nach Abschluss des Mischzyklus die fertige Mischung in einen Austragsextruder. Der Austragsextruder überführt den diskontinuierlichen Mischprozess in einen kontinuierlichen Prozess und baut den notwendigen Druck auf, um die Mischung durch die Lochplatte einer Unterwassergranulierung zu fördern. Nach der Unterwassergranulierung wird das Granulat getrocknet und gekühlt, anschließend in Lagersilos gefördert und letztlich an Absack-, Big-Bag- oder Octabinabfüllstationen für den Versand an den Endverarbeiter abgepackt.

Ein weiterer entscheidender Vorteil der Innenmischertechnologie ist die diskontinuierliche Arbeitsweise des Innenmischers und die damit verbundene hohe Prozessflexibilität. Diese zeigt sich in den unabhängig voneinander variierbaren Prozessparametern wie Mischzeit, Rotordrehzahl, Zugabezeitpunkte und Zugabereihenfolge der zu mischenden Rohstoffe, Füllgrad und Anlagentemperierung. Auch die Rohstoffdosierung und -zuführung ist diskontinuierlich, d. h., alle eingesetzten Komponenten werden automatisch portionsweise vorverwogen und ebenfalls vollautomatisch zum richtigen Zeitpunkt über eine große Beschickungsklappe oder weitere Öffnungen in den Mischer zugegeben. Das bedeutet auch, dass Rezepturen sehr leicht gewechselt werden können.

Naturfasern haben je nach Herkunft oder Typ unterschiedlich hohe Feuchtegehalte. In kontinuierlichen Misch­­prozessen müssen die Materialien daher getrocknet werden, was energie- und kostenintensiv ist. Auch dieser Nachteil ergibt sich im Innenmischer nicht, da der Prozess teilgefüllt gefahren wird, und das Material in der Anfangsphase des Mischprozesses mit Hilfe von Stempellüftungen quasi „on-line“ getrocknet werden kann.

Kooperation mit ExxonMobil und Ford

Die bereits genannten Zielvorgaben aus den Forschungs- und Entwicklungsabteilungen verschiedener Automobilhersteller stellen eine echte Herausforderung dar. Um diese erfüllen zu können, kooperiert die HF MIXING GROUP mit ExxonMobil Chemical Europe Inc. und Ford. Basierend auf den Erfahrungen beider Kooperationspartner sowie den Vorgaben der Automobilindustrie wurden Testrezepturen sowie ein entsprechender Versuchsplan entwickelt.

Für alle Rezepturen diente das Polypropylen-Homopolymer ExxonMobil PP1055E2 als Matrixwerkstoff, der verwendete Haftvermittler ExxelorTM PO1020, ein Maleinsäureanhydrid-gepfropftes Homopolypropylen, stammte ebenfalls aus dem Hause ExxonMobil. Ferner wurden je nach Rezeptur bis zu zehn Gewichtsprozent ExxonMobil PP1055E2 durch VistamaxxTM PBE 6202 ersetzt. VistamaxxTM PBE 6202 ist ein Propylen-basiertes Elastomer, dessen Schmelzpunkt deutlich unter dem des Polypropylen-Homopolymers liegt. Die HF MIXING GROUP geht davon aus, dass durch die Zugabe von VistamaxxTM PBE 6202 die Dispersion der Naturfasern verbessert, die Schlagzähigkeit des Compounds erhöht und dessen Schmelztemperatur reduziert werden kann. Letzteres ist vor allem für eine schonende Weiterverarbeitung im Spritzguss von Vorteil und senkt das Risiko von unangenehmen Ausgasungen aus dem fertigen Bauteil als Folge einer thermischen Schädigung der Naturfaser während des Spritzgießprozesses.

Ergebnisse

Die Vorversuche im Technical Center der HF MIXING GROUP auf einem Hochleistungs-Laborinnenmischer IM5E mit einem Totalvolumen von 5,5 Litern zeigten nach erster optischer Begutachtung bei allen Materialkombinationen homogene Mischungen ohne Bildung von Fasernestern. Nach einem Scale-up der Prozessparameter auf einen Hochleistungs-Produktionsinnenmischer IM45E mit einem Totalvolumen von 49 Litern bestätigten die Versuche zudem, dass es problemlos möglich ist, große Teile von Faserballen ohne Vortrocknung und vorgeschaltete Schneid- oder Mahlprozesse direkt zu verarbeiten.

Das fertige Compound wurde als Schmelze aus dem Innenmischer ausgeworfen und anschließend über einen konischen Doppelschneckenaustragsextruder und eine nachgeschaltete Unterwassergranulierung auch bei hochgefüllten Mischungen problemlos granuliert. Interessant war der Einfluss von VistamaxxTM auf das Misch- und Granulierergebnis. Nach bisherigen Erkenntnissen scheint der Zugabezeitpunkt des VistamaxxTM entscheidend zu sein. Sehr gute Ergebnisse wurden erzielt, wenn die Zugabe kurz vor Beendigung oder erst nach Abschluss des Fasertrocknungsschrittes erfolgte. Vor allem bei den hochgefüllten Testcompounds verbesserte die Zugabe von VistamaxxTM eindeutig die Granulatqualität.

Zurzeit wird das bei den Mischversuchen im Technical Center der HF MIXING GROUP produzierte Testmaterial weiter bei ExxonMobil analysiert. Sobald die Analyseergebnisse verifiziert und zur Veröffentlichung freigegeben sind, werden wir diese in einem Anschlussbeitrag vorstellen. Die ersten Ergebnisse sind sehr vielversprechend.

MIXING Know-how